Sechs Jahre Wilde Fermente

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Im Juni 2007 landete ich mit Verdacht auf Hirnhautentzündung in der Notaufnahme der Charité. Diagnostiziert wurde die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose, eine entzündliche Erkrankung des Nervensystems. Im Juni 2011 bekam ich Migräneprobleme, die immer massiver wurden, weil die Abstände zwischen den Anfällen sehr schnell kürzer wurden, so dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt fast täglich eine Mirgäneaura mit nachfolgenden heftigen Kopfschmerzen hatte.

Als mir die Frage gestellt wurde, was ich an meinem Lebensstil oder meinen Ernährungsgewohnheiten geändert hätte, fiel mir auf Anhieb nichts ein. Erst am Abend, als ich mir nach dem Essen einen Getreidekaffee gemacht hatte, kam mir in den Sinn, dass genau dieser Getreidekaffee ein Novum für mich war. Ich verzichte sofort auf jeglichen Getreidekaffee und die Mirgäneanfälle verschwanden von jetzt auf gleich.

Das erleichterte mein Leben natürlich enorm, brachte mich aber schwer ins Grübeln, denn mir war schlagartig klar geworden, dass ich mit bestimmten Lebensmitteln Probleme hatte. Ich stellte mir logischerweise die Frage: Was wäre, wenn auch meine Multiple Sklerose etwas mit Nahrungsmitteln zu tun hätte?

Alles nachforschen und nachlesen brachte mich letztlich zur Paleoernährung, einer Betrachtung des Themas Nahrungsaufnahme und Gesundheit aus Sicht der Evolution, eingebettet in das große Thema Evolutionäre Medizin bzw. Darwinian Medicine.

Im September 2011 kaufte ich mir das Buch “The Paleo Solution” von Robb Wolf und ich las mich in die Materie ein. Was ich danach begriffen hatte: Bei Autoimmunerkrankungen spielen der Darm und die Darmbarriere eine große Rolle und die im Darm lebenden Bakterien haben ihren Anteil an einer intakten Darmbarriere. Auf Seite 283 der Erstausgabe kann man nachlesen: “We are also discovering that our gut flora has tight communication and influence with both our immune and nervous systems.” BÄM !

Von da an hat mich das Thema Bakterien nicht mehr losgelassen. Ich habe mich so sehr in die Materie der wild fermentierten Nahrungsmittel nach Sandor Katz vertieft, dass ich im Juni 2013 in dem sozialen Netzwerk Facebook die Gruppe Wilde Fermente gegründet habe. Mittlerweile umfasst die Community dort 5300 Mitglieder. Seit Juni 2014 gibt es dieses Blog, um eine noch größere Reichweite zu erzielen.

Das öffentliche Interesse an dem Thema Wilde Fermente ist im Laufe der vergangenen sechs Jahre gewaltig gewachsen. Ein Highlight war für mich im Jahr 2017 nicht nur die Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung: “Küchentrend Fermentation“, sondern der Artikel der Max-Planck-Gesellschaft “Zwillingsstudie: Natürliche Darmflora kann Multiple Sklerose auslösen“.

Warum war die Zwillingsstudie so wichtig? Es gibt mittlerweile sehr viele Studien, die einen Zusammenhang zwischen bestimmten Erkrankungen und Veränderungen des Darmmikrobioms aufzeigen. Entscheidend ist aber, ob diese Veränderungen des Mikrobioms so interpretiert werden können, dass sie Ursache der Krankheit sind und nicht die Folge. Wie Experimente mit Mäusen bei der Klärung dieser Frage helfen, wird in diesem kurzen Video des Mikrobiologen Michael Wagner toll erklärt.

Michael Wagner führt in dem Video weiter aus: “Selbst wenn man sozusagen die Krankheit mit dem Darmmikrobiom übertragen kann, heißt das noch lange nicht, dass man die Ursache versteht. Hier ist der größte Forschungsbedarf. Wir müssen besser verstehen lernen, wieso bestimmte Bakterien, wenn sie in bestimmten Häufigkeiten im Darm plötzlich auftreten oder verschwinden, bestimmte Krankheitsbilder offensichtlich nach sich ziehen. Was machen diese Bakterien im Darm? Wie interagieren die untereinander und mit uns und welche Folgen hat das für unsere Gesundheit?”

Jeder Mensch hat ein einzigartiges Mikrobiom. Justin und Erica Sonnenburg schreiben 2015 in ihrem Buch “The Good Gut” auf Seite 94: “Zur Zeit wissen wir nicht genug über die Mikrobiota, um vorherzusagen, welchen Effekt ein bestimmtes probiotisches Präparat auf eine individuelle Mikrobiota hat. Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass fermentierte Lebensmittel, die eine mannigfaltige Kollektion von Mikroorganismen beherbergen, die größte Chance auf einen darin enthaltenen Mikroorganismus bieten, der einen positiven Effekt hat. [“Presently, our understanding of the microbiota is not complete enough to predict what specific effects a particular probiotic could have on an individuals microbiota. For this reason, we feel that fermented foods, which contain a diverse collection of microorganisms, offer the best chance of encountering a microbe that will have positive effect.”]

Derartige Forschungsprojekte (Zwillingsstudie) und auch die Rückmeldungen der Menschen, denen ich die Prinzipien der Wilden Fermentation in den letzten Jahren näher bringen konnte, geben Kraft für die Zukunft. In einer gerade durchgeführten Umfrage in der Facebookgruppe “Wilde Fermente”, gaben 75 Prozent der beteiligten Personen an, dass sich ihr Gesundheitszustand bzw. ihre Darmgesundheit durch die Wilden Fermente verbessert hat und 25 Prozent gaben an, dass keine Veränderung festgestellt werden konnte. Niemand hat angegeben, dass eine Verschlechterung eingetreten ist. Das ist ein ermutigendes Resultat.

Wer noch nie ein Wildes Ferment selber hergestellt hat, sollte sich einen Ruck geben und mit diesen leckeren und wilden Experimenten beginnen. Wilde Fermente sind spannend, gesund und lecker. Jedes Bügelglas ist ein Ü-Ei und Yps-Heft-Gimmick in Union. Ich verspreche nicht zu viel.

Das Titelbild mit den drei Mäusen wurde von Davide Bonazzi zur Verfügung gestellt. Dafür ein herzliches Dankeschön.


9 Gedanken zu “Sechs Jahre Wilde Fermente

  1. Interessanter Artikel – ich wusste bisher nicht, wie du zum wilden Fermentieren gekommen bist. Und wie ist es bei dir? Hat sich dein Gesundheitszustand verbessert?
    Viele Grüße, Ulf

    • Hallo Ulf,
      die Ausrichtung auf eine entzündungsarme Ernährung (weglassen von Nahrungsmitteln, die mir Probleme bereiten), die Wilden Fermente und auch der Focus auf Zufuhr von Ballaststoffen haben mich schwer nach vorne gebracht. Neue Läsionen werden bei den Kontrolluntersuchungen nicht mehr gefunden. YEAH.
      Herzliche Grüße,
      Barbara

  2. Liebe Barbara ich wünsche dir von ganzen Herzen das es nur so weiter get und DANKE das du all das mit uns teils!
    Liebe Grüße sendet dir,
    Jesse-Gabriel

  3. Hallo Barbara. Ich habe vor 9 Jahren auch die Diagnose MS erhalten und mich lange Zeit nicht wirklich darum gekümmert. Letztes Jahr bekam ich einen heftigen Schub und man konnte im MRT jede Menge neue Entzündungsherde entdecken. Sehr interessanter Beitrag den du da veröffentlicht hast. Das fermentieren hat mich schon lange fasziniert und gereizt. Ich habe zwischendurch immer mal wieder Sauerkraut und Milchkefir hergestellt, weil ich einfach das Gefühl hatte, dass mir genau so etwas fehlt und das es mir gut tut. Ich bin gerade durch Zufall auf deine Seite gestoßen und danke dir für die vielen tollen Rezepte und Informationen! Ich werde mir gleich mal ein paar Bügelgläser besorgen und wieder anfangen Sauerkraut und auch mal anderes Gemüse zu fermentieren. Vielen vielen Dank und alles alles gute 🙂

  4. Bin Anfänger und beginne morgen mit meinem ersten Experiment (guter Mondtag).
    Über die Frage nach dem richtigen Salz bin ich gerade zufällig auf Euch gestoßen
    und überrascht über die vielen und detaillierten Informationen.
    Sehr hilfreich Eure Seite; wird mich weiterbegleiten.
    Danke!

    • Lieber Klaus,
      herzlichen Dank für dein schönes Feedback.
      Viel Freude mit den Wilden Fermenten und viele happy bubbles ° o O o ° °°
      Barbara

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